Behinderung und Migration: Kassel, die Vierte…..

Artikel: J. Michael Fischell

Bereits zum vierten Mal fanden sich am Freitag, dem 10.2.2017 Interessierte und Aktive zum Thema „Behinderung und Migration - Diversität in Forschung und Praxis“ in der Universität Kassel ein. In der Begrüßung und Einführung stellten Prof. Dr. Wansing und Prof. Dr. Westphal (Universität Kassel) als „Arbeitsprogramm“ die Fragen: „Wie erreichen wir Migrant*innen mit Behinderung(en), wie gelingt die interkulturelle Öffnung der Hilfesysteme und wie ein gute Vernetzung?“ Sie verwiesen auf den 2. Teilhabebericht der Bundesregierung, der zum ersten Mal ein besonderes Kapitel zum Themenkreis „Migration und Behinderung“ beinhaltet. Beklagt wurde von ihnen die noch immer unzureichende Datenlage und sie verwiesen auf einen enormen Forschungsbedarf.

Das Migration nicht zwangsläufig eine Doppelbelastung, eine zusätzliche Belastung zur vorhandenen Behinderung darstellt, verdeutlichte Dr. Dinah Kohan von der Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland. Dies habe seine Ursache in der verbesserten Lebenslage im Vergleich zum Leben in der Sowjetunion im Allgemeinen und in der Versorgung im Besonderen, so ihre These. Sie schilderte den Aufbau von Selbsthilfe in der russischen Community über den Weg von Informationsveranstaltungen und Beratung.

Anhand ihres figürlichen „Arbeitsmaterials“ schilderte die Sonderpädagogin und Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Cornelia Tsirigotis (Aachen) anschaulich für die Zuhörer*innen ihren Ansatz und ihre Arbeitsweise der Beratung von Familien mit Migrationshintergrund und Kindern mit Behinderung(en). Kernpunkt ist hier eine ressourcenorientierte Haltung, die hilft Ressourcen und Kompetenzen zu erkennen, Empowerment in der Praxis zu gestalten.

Barrieren für Asylbewerber*innen mit Behinderungen beim Zugang zu Gesundheits- und Teilhabeleistungen erläuterte Mirjam Schülle (M. Sc. Public Health/ Universität Kassel) anhand juristischer Normen. Problematisch zu sehen sei der Zugang zu Gesundheits- und Teilhableistungen in Abhängigkeit vom Aufenthaltsstatus: bis zu 15 Monaten gelte der reduzierter Anspruch der § 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Da die „sonstigen Leistungen“ des §6  Ermessensleistungen darstellen („können im Einzelfall übernommen werden“), unterliegt die Gewährung in der die Praxis in den Kommunen unterschiedlichen Interpretationen, die von einer Minimalversorgung bis zu annähernd der Leistungen der GKV reichen. Darunter fallen zum Beispiel Hilfsmittel wie Seh- und Hörhilfen, psychotherapeutische Leistungen, REHA, Maßnahmen der EGH, Hilfen zur Lernförderung. Auf jeden Fall seien die §§4+6 zusammenzudenken.

Nach Ansicht der Referentin reduziere sich das Ermessen des §6 durch höhere Normen auf Null (vergl. hierzu auch  Bundestag- DRS. 18/9909). Nach Art. 25 UN-BRK und Art. 21 der EU-Aufnahmerichtlinie für „besonders schutzbedürftige Personen“ ist während der Dauer des Asylverfahrens rechtsbindend seit Juli 2015 eine „erforderliche medizinische Versorgung und psychiatrische Betreuung“ Art. 19/Abs. 2 EU zu leisten. Anerkannten Flüchtlingen steht nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland die GKV nach §27 SGB V zu.

 

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** Gefördert als spezifische Maßnahme im Rahmen der KOMM-AN NRW III Projekte durch die Landesregierung NRW; in Kooperation mit der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.

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